
Wie sich ja jetzt herausgestellt hat, ist eines der Außenbänder von Lukas Podolski doch gerissen. Laut »Kicker« hat der 1. FC Köln die Hoffnung auf einen Einsatz am 22. Dezember im DFB-Pokal aber noch nicht aufgegeben. Kann man es aus Ihrer Sicht verantworten, neun Tage nach der Diagnose schon wieder auf dem Platz zu stehen? Und inwiefern hat das Weiterspielen trotz Außenbandriss Auswirkungen auf die Heilung? (Tobias Meier, Lörrach)
Dr. Vladimir Martinek: Die Außenbandverletzung am Sprunggelenk ist die häufigste Verletzung des Menschen. Es gibt drei Außenbänder am oberen Sprunggelenk (vorderes, seitliches und hinteres), wobei bei den meisten Verletzungen das vordere Band verletzt wird und das hintere Band nur selten (bei schweren Verletzungen) betroffen ist. Das vordere Band ist eher dünn und stellt quasi eine vordere Kapselverstärkung am oberen Sprunggelenk dar. Angenommen, bei Lukas Podolski ist das vordere Band gerissen, und damit ist die Verletzung nicht sehr schwerwiegend. Normalerweise reicht bei diesen Verletzungen aus, wenn seitliche Bewegungen im Sprunggelenk durch Tape oder eine Orthese (Schiene) verhindert werden, dann heilt das Band NORMALERWEISE innerhalb von vier bis sechs Wochen von alleine. Es kann davon ausgegangen werden, dass Lukas Podolski die bestmögliche Therapie bekam und bekommt: sofortige Kühlung, Lymphdrainage, abschwellende Substanzen, manuelle Therapie, Tape und somit optimale Voraussetzungen für eine schnelle Heilung geschaffen wurden. Wenn er in neun Tagen keine Schwellung hat und schmerzfrei ist, kann er möglicherweise mit einem gutem Tape spielen. Allerdings war das Weiterspielen nach der Verletzungen aus ärztlicher Sicht nicht optimal, ein sofortiger kühlender Kompressionsverband und Entlastung wären besser gewesen.
Die Bänder sind also doch gerissen. Trägt nun auch der Trainer eine Mitschuld, weil er den Spieler weiterspielen ließ? (Thomas Carstens, o. Ort)
Dr. Vladimir Martinek: Bei solchen Verletzungen sollte der Spieler selbst mit entscheiden, ob er weiterspielen kann oder nicht. Es war allerdings nicht das erste Mal, dass Podolski am Sprunggelenk verletzt war – nach meiner Recherche hatte er sich schon im Oktober 2006 und im Juni 2008 am rechten Sprunggelenk verletzt, also war es nicht neu für ihn. Der Trainer trägt in diesem Fall keine Schuld.
Frank Schaefer sagte nach dem Spiel: »Wir hofften, er würde sich die Verletzung rauslaufen.« Geht so etwas: Eine Verletzung rauslaufen? Bzw.: Ist es manchmal sinnvoll, einen Spieler, der sich offensichtlich verletzt hat, im Spiel zu lassen? (Felix Mieske, Köln)
Dr. Vladimir Martinek: Nachhinein ist man immer schlauer. Es gibt Verletzungen, z.B. Prellungen, die zwar anfangs wehtun, aber zu keinen Strukturverletzungen führen. Diese lassen sich eventuell „rauslaufen“. Bei Bandverletzungen am Knie oder Sprunggelenk ist es aber sinnvoll, die Spieler aus dem Spiel zu nehmen und sofort mit der Behandlung zu beginnen (Kühlung, Kompression etc..).
Wie kann es bei einer sehr deutlichen Verletzung zu einer Fehldiagnose kommen? Zunächst wurde doch nur von einer Sprunggelenkblessur gesprochen. (Peter Premper, Hildesheim)
Dr. Vladimir Martinek: Die Diagnosen werden im Profifußball werden lieber übertrieben als unterschätzt. Ich denke da an manche Spieler mit Muskelfaserrissen aus München, die nach zwei bis drei Wochen wieder spielfähig waren. Die Verletzung von Lukas Podolski ist zum einen nicht schwerwiegend, zum anderen auch nicht deutlich. Er hatte sich die Bänder am rechten Sprunggelenk schon mehrmals verletzt (2006, 2008), und somit liegen keine »normalen« anatomischen Verhältnisse an dem Sprunggelenk vor. Die Diagnose der Ruptur ist in dem Falle eher schwierig.
Hat sich Podolski die Bänder gerissen, weil er weiterspielte? Und kennen Sie vergleichbare Fälle? Also Spieler, die mit Verletzung weitergespielt haben. (Merle Siemes, o.Ort)
Dr. Vladimir Martinek: Nein. Wenn die Bänder gerissen sind, dann am Anfang. Allerdings wäre es sinnvoller gewesen, nach der Verletzung sofort raus zu gehen und mit der Therapie zu beginnen. Die Spieler stehen allerdings »unter Strom« und der hohe Adrenalinspiegel senkt die Schmerzwahrnehmung, so dass die eigene Verletzung unterschätzt werden kann. Es gibt einige Spieler, die die Zähne zusammen beißen und weiter machen.
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Wer ist Dr. Vladimir Martinek?
Dr. Vladimir Martinek, geb. 1961, studierte an der LMU in München und absolvierte seine Ausbildung in Johannesburg, San Francisco, Boston, Basel, Pittsburgh und München. Nach seiner Habilitation an der TU München arbeitete er als Leitender Oberarzt an der Sportorthopädie München und später an der Universität Rostock, bevor er sich als Leitender Arzt in der Orthopädie Harthausen in Bad Aibling niederließ. Der international anerkannte Sportmediziner betreut seit 1995 Spitzensportler und war unter anderem Mannschaftsbetreuer des FC Basel.
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